360 Grad Fotografie

360 Grad Fotografie

2014 begann ich meine ersten 360 Aufnahmen zu fotografieren. Anfangs hab ich dazu mein Nikon 17-55 mm verwendet. Kamera auf’s Stativ geschraubt und einmal rundum fotografiert. Himmel und Boden hatte ich noch ausgelassen, weil mir das nicht wichtig erschien. Wenigstens hatte ich einen Stativkopf von Manfrotto, der eine Rasterdrehung erlaubt. Das bedeutet: der Kopf erlaubt die Drehung um einen festgelegten Winkel und rastet dabei sanft ein. So gelingen Panoramen mit festem Winkel und vorab berechneter Überlappung zwischen den Einzelbildern.

Die Ergebnisse waren bescheiden.

Das Zusammenfügen der Teilbilder zu einem Gesamtpanorama machte ich mit verschiedenen Softwares am Computer. Ich probierte Photoshop, Autopano Pro und PTGui. Doch die Panoramen waren nicht zu gebrauchen. Teils, weil ich schon bei den Aufnahmen nicht sauber gearbeitet hatte.

Weihnachten 2014 las ich dann einen Bericht von Patrick Ludolph aus Hamburg und arbeitete mich anschließend durch sein Tutorial. Erst danach hatte ich verstanden, worauf es ankam.

Patrick machte seine Panoramen mit einem Fisheyeobjektiv und empfahl die Verwendung von Fisheyeobjektiven. Warum? Ein Fisheye hat meist einen Blickwinkel von gut 180 Grad. Mein Favorit, das Nikon DX Fisheye hat 180 Grad horizontal und 120 Grad vertikal. Theoretisch bräuchte ich also nur vier Aufnahmen machen und hätte, wenn ich die Kamera hochkant verwendete mit 4 x 120 Grad = 480 Grad ausreichend Überlappung zwischen den Einzelbildern. Ich mache heute aber lieber mehr, auch um die extremen Verzeichnungen des Fisheye ein wenig zu kompensieren. Mit 8 Aufnahmen rundum kann ich aus jedem Einzelbild das Filetstück der Aufnahme mit dem Fisheyeobjektiv verwenden.

Meine Ausrüstung für die 360 Grad Fotografie

Ich hatte gerade etwas Geld zur Verfügung, um meine Fotoausrüstung zu optimieren. Also kaufte ich mir zuerst das Nikon DX 10,5 mm Fisheye, dann den speziellen Panoramakopf von PT4Pano von der Familie Hopf. Der Panoramakopf war genau auf die von mir gewünschte Kamera/Objektiv-Kombination für die 360 Grad Fotografie abgestimmt: Nikon D5300 mit Nikon Fisheye. Da musste ich nichts mehr verstellen bzw. einstellen, keinen Nodalpunkt finden – einfach Kamera anschrauben und los gehts.

Nach weiteren und vielen Experimenten mit den Softwares, meine Panoramabilder zusammen zu stitchen, entschied ich mich für PTGui Pro. Das funktioniert super gut.

Präsentation meines ersten 360 Grad Panoramas

Wenn ich rundum 8 Aufnahmen mit dem Fisheye fotografiert habe, habe ich ausreichend Überlappung zwischen den Einzelbildern. Zusätzlich fotografiere ich je ein bis zwei Aufnahmen vom Himmel und Boden. Zusammen gesetzt habe ich also einen Blickwinkel von waagerecht 360 Grad und senkrecht 180 Grad. Die möchte ich mir gerne am Computer ansehen. Also mache ich von solch einem Panorama ein virtuelles Panorama. Virtuell bezieht sich auf die Darstellung. 1. sehe ich immer nur einen Ausschnitt des 360 Grad Raumes und 2. kann ich mich in dem Bild umschauen. Für diese Projektion gibt es auch wieder ganz unterschiedliche Softwares, denn das Panorama muss dafür wie ein Puzzle zerteilt werden.

Die fertigen Panoramen aus PTGui Pro sind meist 15.000 x 7.500 Pixel groß und ich speichere die finalen Panoramen aus PTGui auch gerne als 16Bit Bilder ab. Da hab ich für die spätere Verwendung immer Reserven im Bild. Selbst mit 8Bit Farbtiefe und als JPEG abgespeichert sind die Panoramen gerne mal 50 MB groß und die eignen sich selbstredend nicht für die Verwendung auf der Homepage.

Damit ich die virtuellen Panoramen trotzdem auf meiner Webseite zeigen kann und Besucher sich die auch anschauen können, bedarf es einiger Tricks. Und genau dafür gibt es Spezialsoftware, die sowas kann. Ich hab zwei davon: krpano und Panotour Pro. Panotour Pro basiert auf krpano und bringt eine grafische Oberfläche mit, wo ich visuell verschiedene Parameter festlegen kann. krpano dagegen ist ein Kommandozeilenprogramm ohne grafische Oberfläche. Das Ergebnis aus beiden Programmen ist gleich.

In Panotour Pro füge ich erst das Panorama ins das Projekt ein, lege das Startbild fest und wähle Bedienelemente aus. Dabei habe ich eine große Gestaltungsfreiheit. Dann exportiere ich das Panorama als virtuelles Panorama für meine Homepage. Dabei erzeugt Panotour Pro verschieden große Teilbilder, die das Panorama gesamte Panorama ausmachen. Zusätzlich wird eine html-Datei und JavaScript erzeugt. Klicke ich doppelt auf die html-Datei, öffnet die sich in meinem Browser und ich kann mich mit der Maus im Panorama umsehen. Ich kann nach links oder rechts schauen, nach oben und unten. So als stünde ich in der Mitte des Bildes und drehe mich um meine eigene Achse. Natürlich kann ich ins Bild hinein- und hinauszoomen, als würde ich ein Fernglas benutzen.

Treffpunkt Kaiserhafen – Die letzte Kneipe vor New York – 1 Szene

Virtuelles Panorama Bremerhaven Die letzte Kneipe vor New York © 2015 Adrian J.-G. Wackernah
Bremerhaven Die letzte Kneipe vor New York © 2015 Adrian J.-G. Wackernah – 000440

360 Grad Virtuelle Touren

Als Krönung kann ich in einem virtuellen Panorama auch mehrere Szenen – also einzelne Panoramen – einfügen und die entweder automatisch nacheinander ablaufen lassen oder ich füge sogenannte Hotspots ein, die so bei einem Klick mit der Maus drauf zum nächsten Panorama führen. Das nennen wir dann virtuelle Touren. Das hab ich später im Bremerhaven Panorama gemacht, wo ich an die zehn Einzelpanoramen drin habe oder das für die Arche von der Ausstellung 2015 mit 13 einzelnen Panoramen. Doch dazu später mehr.

360 Grad Panoramen als Wandbilder

Solche Bilder hatte ich erstmals so um 2007 herum gesehen, als mir Dr. Holger Schulz Fotos zum Ausdrucken auf Leinwand geschickt hatte. Holger Schulz hatte damals eine Serie 360 Grad Schleswig-Holstein gemacht, eine Serie, die damals in einer Tageszeitung abgedruckt wurde – jeden Tag ein Panorama. Holger Schulz hatte von seinen Panoramen aber nur einen schmalen Ausschnitt für den Druck gewählt: Seitenverhältnis 4:1. Zur Erinnerung: ein komplettes 360 Grad Panorama hat ein Seitenverhältnis von 2:1 (360 Grad waagerecht und 180 Grad senkrecht). Mir war der Ausschnitt zu radikal, ich entschied mich für 3:1. Damit lassen sich wunderbar 150×50 cm große Leinwandbilder herstellen.

Bremerhaven Havenwelten Klimahaus © 2017 Adrian J.-G. Wackernah (VG Bild-Kunst Nr.: 2219193)

Warum ich nicht das volle Panorama genommen habe? Nun das liegt an der Art der Projektion: die Bilder von Himmel und Boden (also die, die senkrecht nach oben bzw. unten fotografiert sind) sind nach dem Stitchen in PTGui Pro stark verzerrt. Das ist notwendig, damit in der virtuellen Ansicht beim Blick nach oben bzw. unten das Bild wieder stimmt. In der planen Projektion beim Druck als Bild sieht das nicht schön aus, deshalb schneide ich die Bereiche weg.

Da ich auch anders als Holger Schulz fotografiere, wäre bei meinen Motiven ein Ausschnitt von 4:1 nicht möglich gewesen, ohne bildwichtige Teile abzuschneiden. Das wollte ich nicht.

360 Grad Little Planet

Die Welt auf einer Kugel. Zumindest die Welt, die man im Panorama fotografiert hat. Gesehen bei Patrick Ludolph und immer ein wenig belächelt. Solch eine verdrehte Darstellung konnte ich mir zunächst gar nicht vorstellen. Doch wie das so ist mit der Zeit, ich änderte meine Meinung.

Was ist denn Little Planet?

Die Little Planet Darstellung einesr 360 Grad Fotografie ist eine Sonderform der Projektion – eine stereographische Darstellung einer vollständigen 360 Grad Fotografie. Wichtig ist die Aufnahme der ganzen Szene in 360 x 180 Grad!

Be creative! PTGui supports several panoramic projections including equirectangular (for spherical panoramas), rectilinear (for architectural scenes with straight lines) and stereographic, for Little Planet images such as this one.

In PTGui kann ich die Little Planet Projektion wählen. Dann wird die Szene wie auf einer Kugel aufgebracht gerendert. Als blickte man vom Himmel auf die Erde, nur das die Erde hier die von mir fotografierte 360 Grad Szene beschränkt ist. Objekte, die nah zur Kamera aufgenommen sind, werden auf der Kugel größer dargestellt, weiter entfernte dagegen kleiner.

Bremerhaven Die letzte Kneipe vor New York © 2015 Adrian J.-G. Wackernah - 000441
Bremerhaven Die letzte Kneipe vor New York © 2015 Adrian J.-G. Wackernah

Ich empfinde beim Betrachten der Little Planet Darstellungen so etwas wie Glücksgefühl. Die besondere und ungewohnte Art, wie man als Betrachter das Wandbild erkundet, ist einzigartig. Es gibt soviel zu entdecken in diesen kleinen Welten einer Fotografie. Und obwohl auch hier Teile vom Motiv verzerrt dargestellt werden, wirkt das Gesamtbild harmonischer als wenn ich eine zweidimensionale Abwicklung wie im Bild darüber betrachte.